Österreichischer Buchpreis

Jurybegründungen Preisträgerinnen 2022

Jurybegründungen Preisträgerinnen 2022

Verena Roßbacher
Mon Chéri und unsere demolierten Seelen
März 2022, 512 Seiten, 24,70 Euro, ISBN 978-3-462-00119-8

Die Jury: „Charly Benz: Anfang vierzig, Langzeitsingle, ernährt sich von Fertiggerichten, raucht Kette, hört in ihrer Freizeit Bibi Blocksberg Hörspiele und öffnet aus Angst vor schlechten Nachrichten ihre Post nicht. „Ja, das war das Problem, ich musste immer alles alleine machen, Essen kochen und Musik machen, mich vor meiner Post fürchten, einfach alles. Ich seufzte. So wie es aussah, würde ich auch meine Kinder in Eigenregie zeugen müssen, sollte ich je welche haben wollen. Ich musste mir eingestehen: Die Zeit arbeitete gegen mich.“ Das also ist die Romanheldin! Eine desolat-komische Frauenfigur und damit literaturgeschichtlich eine Rarität. Denn komische Frauen haben es schwer bei der Leserschaft. Verena Roßbacher ist es gelungen, mit ihrer Charly Benz nicht nur eine Figur zu schaffen, die man nie mehr vergisst. Sie gesteht ihr auch eine geradezu unglaubliche Persönlichkeitsentwicklung zu. Aus der schrulligen Außenseiterin mit einem Faible für Werbeclips aus den neunziger Jahren (Mon Chéri!) wird im Verlauf dieses rasant lustigen Romans eine Vorreiterin alternativer Lebens- und Liebesmodelle. Nicht nur gibt es auf einmal drei potenzielle Väter für ein Baby. Auch wird ein schwerkranker Mann angstfrei in den Tod begleitet. „Mon Chéri und unsere demolierte Seelen“ erzählt eine Geschichte vom Loslassen. Zwischendrin gibt es Slapstick vom Feinsten. Lustige Frauen, das lernen wir mit Verena Roßbacher, sind einfach unwiderstehlich!“

Lena-Marie Biertimpel
Luftpolster
März 2022, 192 Seiten, 22 Euro. ISBN 978-3-7011-8232-9

Die Jury: „Vom Suizidversuch der Schwester aus der Bahn geworfen, begibt sich „Peach“, die Ich-Erzählerin, freiwillig in der Psychiatrie. „ich funktioniere nur in gedanken. die gedanken sind wie wellen und ziehen mich in die tiefe, bis ich keine luft mehr bekomme“.  Der streng getaktete Klinikalltag gibt ihr Halt: Morgenspaziergang, Medikamentenausgabe, Therapien aber auch die gemeinsamen Zigaretten im Raucherraum mit einer Mitpatientin. Die Geschichte pendelt zwischen dem Jetzt und „vor monaten“ und „vor jahren“. In diesen Rückblenden erfahren wir von Peaches schwieriger Beziehung zu ihren Eltern, von denen sie mittlerweile weit entfernt wohnt Und wir lernen ihren Freund Johnny kennen: „vielleicht waren messer unsere worte und küsse fäden, mit denen wir gegenseitig unsere wunden nähten“.   Absolute Kleinschreibung – bis auf die Namen –, keine Anführungszeichen bei direkter Rede und Kürzestkapitel formen die Geschichte, die so ihren ganz eigenen, poetischen Sound entwickelt. Und wir sehen auch, dass Gender* in einen modernen literarischen Text passen. Ein eindringliches Debüt, wuchtig und zärtlich zugleich.“